Zeiler Baudenkmäler

Speiersgasse 18, ehemalige Synagoge und Judenschule

  • Speiersgasse 18

    Die ehemalige Zeiler Synagoge, Ecke Speiersgasse (rechts) - Judengasse

  • Speiersgasse 18

    Die ehemalige Zeiler Synagoge, Ansicht Judengasse

Hans Brech - Speiersgasse, Ecke Judengasse

Das vor einigen Jahren renovierte Gebäude war ursprünglich die Synagoge und Schule der kleinen Zeiler jüdischen Gemeinde. Errichtet worden ist es 1858 durch den Maurermeister Kirchner und wurde bis Anfang des 20. Jahrhunderts als Synagoge genutzt. An der Ostfassade (Judengasse) befindet sich auf Sandsteinkonsolen noch ein Thoraschreinerker. Im Keller war die Mikwe, das jüdische Ritualbad (s. "mehr...").
An der Rückseite des massiven, verputzten, zweigeschossigen Walmdachhauses, bereits in der Judengasse, befindet sich ein eingeschossiges Nebengebäude mit kleinem Hof.

Aus dem "Spaziergang durch Zeil" von Ludwig Leisentritt:

Bereits im 14. Jahrhundert sind in Zeil Juden nachgewiesen. Höhepunkt jüdischen Lebens waren die sechziger und siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, bevor die Abwanderung in die großen Städte begann. In diesen Jahren lebten hier elf Familien jüdischen Glaubens, zusammen ca. 70 Personen. Die meisten beschäftigten sich mit dem Viehhandel, aber auch mit Landwirtschaft und sogar mit Handwerk. Im gesellschaftlichen Leben der Stadt waren sie voll integriert. Die Kaufmannsfamilie Ullmann, zuletzt wohnhaft in der heutigen Ratsapotheke am Marktplatz, übersiedelte nach Bamberg und Fürth und brachte es dort zu Reichtum und Ansehen. Zwischen 1840 und dem Ersten Weltkrieg wanderten aus Zeil allein ca. 480 Personen nach Amerika aus. Darunter waren 14 jüdische Bürger. Gemessen an der Bevölkerungszahl war dieser Anteil ziemlich hoch. Dieser Umstand sollte sich für einige Zeiler Juden in den Nazi-Jahren als ein Rettungsanker für die Flucht über den großen Teich erweisen.
Sichtbares Zeugnis jüdischer Vergangenheit in Zeil ist die noch baulich unverändert erhaltene Synagoge. Sie entstand 1854 anstelle eines baufälligen alten Bethauses, welches sich bis dahin im Besitz eines jüdischen Händlers befand. 1846 verweigerten die Stadtväter seiner Tochter die Verehelichung mit einem jüdischen Baumwollweber aus Ansbach. Zum einen berief man sich auf das Judenedikt, das die Vermehrung jüdischer Familien verhinderte. Andererseits befürchteten die Stadtväter für die ohnedies hier kümmerlich lebenden Leinenweber eine lästige Konkurrenz. Die Befürchtung war nicht unbegründet, daß der weitgereiste, für neue Fertigungsmethoden aufgeschlossene jüdische Weber hier sein Gewerbe fabrikmäßig betreibt und die heimischen Weber brotlos macht. Nach einigen Jahren verkaufte die Judentocher das Haus an ihre Zeiler Glaubensgenossen. Ähnlich wie der jüdische Weber Levi Strauß aus dem oberfränkischen Buttenheim, der in Amerika die Produktion der weltbekannten Blue jeans betrieb, wanderte sie mit ihrem Verlobten fast zur selben Zeit (1845) ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten aus.
Nachdem die Mindestzahl von zehn erwachsenen männlichen Juden nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr gegeben war, löste sich die hiesige jüdische Kultusgemeinde 1920 auf und schloß sich der Gemeinde in Haßfurt an. Dorthin sind auch die beiden Thorarollen aus dem 18. Jahrhundert gebracht worden. Bei der berüchtigten Reichskristallnacht 1938 wurden diese von den Nazis vernichtet.
Aufbewahrungsort der Thorarollen war die wie üblich nach Osten ausgerichtete "Heiligen Lade". Unter diesem Thoraschrein befindet sich heute eine Gedenktafel zur Erinnerung an einstmals jüdisches Leben in Zeil.
Im Keller der Synagoge befand sich einmal ein Ritualbad (Mikwe) für die Frauen.(Quelle: Ein Spaziergang durch Zeil, S. 42-43)

Aus dem Vortrag "Frauenalltag in Zeil" von Ludwig Leisentritt:

Das so genannte Weiberbad, in manchen Orten von den Christen auch "Judentauche" genannt, gehört zu den rituellen Vorschriften der Juden. Hauptsächlich die Frauen, aber auch Männer, müssen zu bestimmten Anlässen ein Reinigungsbad durchführen, um wieder kultisch rein zu sein. Nach den jüdischen Ehevorschriften müssen Mann und Frau während der Regel sowie sieben Tage danach, das heißt insgesamt zwölf Tage, getrennt schlafen. Das hatte allerdings zur Folge, dass die Empfängniswahrscheinlichkeit in der Zeit der Wiedervereinigung groß ist. Je religiöser ein jüdisches Ehepaar ist, desto fruchtbarer ist dann auch die Ehe.
Die jüdische Gemeinde in Zeil ist in den 1860er Jahren nicht durch Zuzug von etwa 45 auf 65 Seelen gewachsen, sondern durch die Gebärfreudigkeit von nur zwei bis drei Familien.
Der Talmud erachtet die rituelle Reinigung für so bedeutend, dass er verarmten Gemeinden empfiehlt, ihre Synagogen zu verkaufen, ja sogar ihre letzte Thorarolle, nur um ein solches Tauchbad erstellen zu können. Der ganze Trennungsritus, der in dem eindrucksvollen Tauchbad gipfelt, verlangte damals auch in Zeil nach der Einrichtung eines Ritualbades. In der Zeiler Synagoge war es im süd-östlichen Erdgeschoss in der "ganz kleinen Küche" untergebracht, "welche auch die Tauche enthält", hieß es einmal in einem Bericht der Schulinspektion. Nach dem letzten Krieg bereitete das Glucksen von Wasser aus einer ziemlich flach liegenden Quelle den damaligen Bewohnern einige Probleme. Bei Aufgrabungen fand man nicht nur sickerndes Wasser, sondern auch drei bis vier Treppen, die zur ehemaligen Judentauche führten.
(Quelle: Ludwig Leisentritt: Frauenalltag in Zeil, Vortrag)