Zeiler Baudenkmäler

Golgathakapelle

  • Golgathakapelle

    Golgathagruppe

  • Südansicht

    Portal, Kreuzkapelle und Golgathagruppe

  • Inschrift (SW)

    GOTT DEM ALLMAECHTIGEN ZV LOB • CHRISTO IESV HEYLIGSTEN LEIDEN VND STERBEN ZV EHRN • HAD ZV MEHRER ANREITZVNG CHRISTLICHER ANDACHT DER EHRN VND ACHTBAR GEORGIVS PFERSMAN NOCH LEDIGS STANTS • DISES WERCK HIEHER VERSCHAFFT IM IAHR 16.17 WELCHS 16.23 VERFERTIGT VND AVFGERICHT WORDEN • GOTT VERLEIHE IHM ZEIDLICH UND EWIGE WOLFAHRT

  • Deckengemälde Golgathagruppe

    Deckenbild links: Hl. Drei Könige (auf einem darunterliegenden "Abraham-Isaak-Opfer")

  • Deckengemälde Golgathagruppe

    Deckenbild Mitte: Adam und Eva (Sündenfall)

  • Deckengemälde Golgathagruppe

    Deckenbild rechts: Moses mit der ehernen Schlange

  • Details Golgathakapelle

    Details an der Golgathagruppe

Heilig-Kreuz-Kapelle

Die kunsthistorisch bedeutende Golgathakapelle (rechts neben dem Portal, an der Außenseite der Friedhofsmauer) entstand etwa zur gleichen Zeit wie das Portal (1617-1623), weist aber noch spät- und nachgotische Züge auf. Sie wurde von einem Georg Pfersmann gestiftet, als Sühnedenkmal für einen verübten Totschlag. Offenbar konnte sich der Sohn einer vermögenden Zeiler Familie auf diese Weise der drohenden Todesstrafe entziehen. Die Figuren wurden von Zeiler Steinmetzen geschaffen.

Heinrich Weisel hat herausgefunden, dass vorne in der steinernen Umrandung ein Opferstock angebracht war, in dem die aus der Stadt kommenden Reisenden und Fuhrleute in Form einer Geldspende - und eines Stoßgebets - für ein gutes Gelingen Ihrer Reise bitten konnten. Die Straße nach Bamberg führte ja direkt hier vorbei.

Nur wenigen Betrachtern fallen wahrscheinlich die drei beschrifteten Tafelbilder auf, die an der Innendecke der Golgathakapelle angebracht sind. Es handelt sich um folgende Szenen:

  1. Links ist die Anbetung der Heiligen Drei Könige dargestellt. Auffallend hierbei ist, dass die Beschriftung überhaupt nicht zum Bildinhalt passt, sondern zu einer Darstellung des Abraham-Isaak-Opfers gehört, die wohl übermalt wurde.
  2. Das mittlere Tafelbild stellt den Sündenfall dar (Adam und Eva im Paradies).
  3. Das rechte Bild zeigt die wenig bekannte Szene des Moses mit der ehernen Schlange.

Ausführliche Beschreibungen, auch zu den Tafelbildern an der Decke, unter "...mehr":

Aus einem Gutachten des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, Schloss Seehof (2012):

Die bis 1623 als Sühnestiftung eines 1616 stattgefundenen Totschlags (vgl. Hermann Mauer: Die Golgatha-Kapelle zu Zeil am Main, ein Bauwerk zur Sühne) geschaffene Anlage beinhaltet eine überlebensgroße Kreuzigungsgruppe mit Christus und den beiden Schächtern am Kreuz und den trauernden Assistenzfiguren Maria und Johannes. Auf einer nachgotischen Maßwerkbalustrade stehen sechs Säulen, die ein Steingebälk tragen, auf dem das geschwungene flache Schieferdach ruht. In der Mitte der Maßwerkbalustrade befindet sich eine vortretende Muschelnische, auf der ein Opferstock angebracht war. Engel in den Ecken zwischen äußeren Säulen und dem Gesims tragen die Leidenswerkzeuge Christi, weitere geflügelte Engelsköpfchen zieren das Gebälk und die rückwärtigen Säulen. Die Anlage ist aus Zeiler Sandstein ausgeführt, der Bildhauer unbekannt.

Die hölzerne Dachkonstruktion ist unterseitig als Kassettendecke ausgebildet, in die drei Kassetten sind hölzerne Tafelbilder eingelassen, die von volkstümlichen Sprüchen erläutert werden und(s. Bild 4, Mitte) den Sündenfall („Gleichwie wir durch Sünd Adams sind verdorben, Also hastu uns o Christi durch dein Todt das Leben erworben.“), (links, s. Bild 5) die Anbetung der heilgen drei Könige („Wie Isaak zu Ophfer willig, Abrahams Sohn, So hat Christus am Creuz für uns genug gethon.“) und (rechts, s. Bild 6) Moses mit der ehernen Schlange („Gleich wie die Schlang in der Wüsten ward erhöht, So stirbt der nicht Ewig den Christum am Creutz Anbeth.““) darstellen. Die Beschriftung zeigt, dass die Anbetung der hl. drei Könige eine Übermalung der Opferung Isaaks darstellt.(2012 Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Schloss Seehof, Dipl.-Ing. Christian Schmidt)

Heinrich Weisel: Dem Zimmermann fehlten die Spezialkenntnisse...

... und der Dachdecker verrechnete einen überhöhten Preis / Eine bisher unbekannte Arbeit des Zeiler Zimmermanns Jörg Hofmann

Neben der Zeiler Heilig-Kreuz-Kapelle am Friedhof steht die schon oft bestaunte und in vielen Kunstführern beschriebene Kreuzigungsgruppe ("Golgathakapelle" genannt), die im Jahr 1623 als Sühnemal für einen begangenen Mord errichtet wurde, wie von Stadtchronist Hermann Mauer beschrieben. Dieses steinerne Mahnmal mit seiner "welligen Verdachung" wird zusammen "mit der Friedhofkapelle und dem Friedhof" als "eine malerische Gruppe" bezeichnet (Heinrich Mayer: Die Kunst des Bamberger Umlandes)...
Der fachkundige Steinmetz, der dieses Kunstwerk geschaffen hat, ist jedoch namentlich nicht bekannt, weil es keine schriftlichen Unterlagen darüber gibt. Experten vermuteten bisher nach stilistischen Vergleichen, daß es der aus dem schweizerischen Kanton Graubünden stammende Steinmetzmeister Giovanni Bonalino geschaffen habe, der in Scheßlitz geheiratet und um diese Zeit dort gelebt hatte.
Aus erhaltenen Quellen sind zahlreiche Arbeiten von Bonalino im Fürstbistum Bamberg bekannt, so z.B. das Fasanenhaus in Schloß Seehof, die Pankratius-Kirche auf dem Gügel, die Pfarrkirche in Kleukheim und der Chorbau von St. Stephan in Bamberg sowie verschiedene bauliche Arbeiten in seinem Wohnort Scheßlitz. Mit dem Leben und Wirken dieses Graubündner Handwerkers hat sich vor einigen Jahren auch die Kunsthistorikerin Dr. Angela Michel aus Presseck im Rahmen ihres Studiums näher beschäftigt. Im Zuge der dazu notwendigen Forschungsarbeiten für ihre Dissertation ("Der Graubündner Baumeister Giovanni Bonalino in Franken und Thüringen" Diss. F.U.Berlin 1996) war sie auch in Zeil, um die Kreuzigungsgruppe zu sehen und zu beurteilen. Nach ihrem stilkritischen Vergleich von Aufbau und handwerklicher Ausführung dieses Zeiler Bauwerkes mit Arbeiten von Bonalino in Coburg und Gügel kam sie zu dem Schluß, daß es nicht dessen Architektur entspreche. Zudem arbeitete Bonalino mit seinem Personal nachweislich 1623 auf Baustellen in Coburg und Weimar und konnte zeitlich und räumlich gesehen diese Arbeit nicht ausgeführt haben. Somit bleibt nach wie vor unbekannt, wer der Schöpfer dieses Kunstwerkes war.
Das heute vorzufindende Kunstdenkmal hat nicht mehr seine ursprüngliche Form, sondern es wurde zweimal verändert, wie auf der Suche nach Bauvorgängen in Zeiler Unterlagen festzustellen war. Das Bauwerk war anfangs mit einem einfachen flachen Dach versehen. Dieses lag an der Rückseite auf den beiden Säulen und der geschlossenen Rückwand auf und an der Vorderseite auf einem freitragenden Holzbalken. Dieser Balken hatte keine Mittelstützen und wurde im Abstand von 5,50 Metern von den beiden vorderen Außensäulen getragen. Da durch dieses einfache Dach gewichtsmäßig keine außergewöhnliche Belastung auftrat, genügte diese Konstruktion den Anforderungen, jedoch mit der Ausnahme, daß sich der freitragende Balken im Laufe der Jahre leicht nach unten durchbog. Genau diese Situation läßt sich auch jetzt noch auf der Rückseite des Bauwerkes anschaulich betrachten, denn das Dach der dahinterliegenden Aussegnungshalle im Friedhof ist genauso ausgebildet und der Balken biegt sich ebenfalls leicht durch.
Das alte Bauwerk von 1623 lag an der direkt vorbeiführenden Hauptstraße in Richtung Bamberg, war mit einem Opferstock versehen und so mancher Reisende hat wohl im Vorübergehen und beim Anblick der Kreuzigungsgruppe eine Geldmünze eingeworfen und ein Stoßgebet um einen sichere und unfallfreie Fahrt gesprochen.
Das einfache Holzdach aus dem Jahre 1623 war nach ca. 80 Jahren von Wind und Wetter stark angegriffen und schadhaft und die hiesige Kirchenverwaltung entschied um 1700, daß es erneuert werden sollte. Den Auftrag dafür übertrug man dem Zeiler Zimmermann Jörg Hoffmann, der es in seiner jetzigen Form im Jahre 1701 anfertigte. Das notwendige Material wie Holzbalken, Bretter, Leinöl und Nägel wurde von der Kirchenverwaltung beigestellt und der Meister bekam an Arbeitslohn 2 Gulden 3 Pfund 11 Pfennig ausbezahlt "Von Tach abzutrachen und wieder Uf Zue richten", wie es in der Gotteshausrechnung verbucht wurde. Nach getaner Arbeit bekamen er, seine Gesellen und seine sonstigen Helfer beim Aufrichten des Daches "4 Maaß" (= ca. 5 Liter) an "Weinn 1699iger Gewächs" für einen Umtrunk. Das neue Dach wurde auch noch vom Haßfurter Schieferdecker Servatio Engel mit Brettern vernagelt und mit Schieferplatten eingedeckt, er erhielt ebenfalls für seine Arbeit die notwendigen Bretter, Nägel und Kienruß gestellt und bekam für Lohn und die von ihm besorgten Schieferplatten 7 Gulden ausbezahlt. Auch Meister Engel bekam "4 Maaß" vom gleichen Wein "nach verfertigten Dach zum heiligen X" (=Kreuz).Der an den Schieferdecker bezahlte Preis war anscheinend den Rechnungsprüfern im Jahr 1702 zu hoch. Sie vermerkten deshalb unter den Mängelpunkten "Mann soll sich nach einem ander Schieffer Deckher bewerben".Die Kirchenverwaltung befolgte diesen Hinweis schon bald und anstatt des Haßfurter Meisters Servatio Engel wurde dann lange Jahre der Gochsheimer Schieferdeckermeister Caspar Schöner beschäftigt. Das neue Dach lag wiederum hinten auf den beiden Säulen und der Rückwand auf und vorne nur auf dem freitragenden Balken, der nur auf den beiden Außensäulen ruhte. Im Unterschied zur ersten Dachausführung war aber diese neue Konstruktion, die ja dazu auch noch mit Schieferplatten gedeckt war, wesentlich schwerer und es kam so nach und nach, was kommen mußte. Der gewichtsmäßig zu sehr belastete vordere Auflagebalken bog sich immer stärker durch, so daß das ganze Dach in Gefahr war, großen Schaden zu nehmen.
Was heutzutage jeder Baufachmann bei seinem Studium in der "Festigkeitslehre" erlernt und in Bezug auf "Biegefestigkeit" rechnerisch überprüfen kann, gab es damals nicht. Der ausführende Meister stützte sich nur auf die Kenntnisse und Erfahrungswerte aus seinem Berufsleben. Jörg Hoffmann hatte zwar um diese Zeit schon viele Fachwerkbauten errichtet, so. z.B. in Zeil, Scheßlitz und Burgkunstadt, wobei jedoch die Holzbalken über große Längen immer auf einem einigermaßen festen Mauerwerk auflagen und es bei einer fachmännischen Verstrebung und Verbindung keine Probleme gab. Ein freitragender Balken kam vielleicht einmal vor bei einer Hauseinfahrt mit ca. 3 Meter Breite, wobei der Balken aber links und rechts noch zusätzlich verstärkt werden konnte. Bei einem freitragenden Holzbalken mit 5,50 Meter Auflageabstand und einer starken Belastung von oben ohne jegliche Mittelstütze konnten deshalb Probleme nicht ausbleiben, hier wurde Jörg Hoffmann von seiner beruflichen Erfahrung im Stich gelassen. Dies sah anscheinend auch die Zeiler Kirchenverwaltung so, denn als sich der Schaden am Dach mehr und mehr vergrößerte und im Jahr 1711 eine Reparatur beschlossen wurde, nahm man zur Beseitigung des Schadens nicht mehr Jörg Hoffmann, sondern einen anderen Zeiler Zimmermann, nämlich den Caspar Reütter. Es wurde, sicher unter Zuziehung der materialkundigen örtlichen Steinhauer und Maurer, festgelegt, das schwere Dach mit einer stabilen Steinkonstruktion zu unterfangen, so wie sie dann auch aus-geführt wurde und heute noch zu sehen ist. Der Steinhauermeister Friedrich Wolff fertigte im Auftrag der Kirchenverwaltung zum Preis von 13 Gulden die nachträglich angebrachten zwei vorderen Mittelsäulen zur besseren Unterstützung. Die Witwe des Hannß Adam Kerzner lieferte mit ihren Gespannen 4 Fuhren Steine und 4 Fuhren Sand sowie die notwendigen Gerüststangen. Der Maurermeister Peter Heinrich brachte hinter der verzierten Steinbrüstung zwei quadratische Sockelsteine an, auf welchen die Mittelsäulen stehen sollten. Das ganze Dach wurde vorne angehoben, der verformte Holzbalken herausgenommen und dafür 7 steinerne Gesims- und Auflagestücke eingesetzt, die miteinander verklammert wurden, von unten her durch die nunmehr vier Säulen einen stabilen Halt bekamen und das schwere Dach aufnahmen. Die Arbeit des Maurermeisters Peter Heinrich dauerte drei Tage und wurde mit 5 Batzen je Tag bezahlt. Der Schmied Hannß Jörg Popp lieferte die Eisenklammern für die Querverbindung der Gesimsstücke. Der Zimmermann Caspar Reütter arbeitete ebenfalls drei Tage Hand in Hand mit dem Maurer, um das Dach auszubessern und wieder in Form zu bringen, er bekam an Lohn 4 Batzen je Tag bezahlt.
Das seit 1712 nicht mehr veränderte Bauwerk wurde natürlich vom Zahn der Zeit nicht verschont. Deshalb fand 1990/91/92 unter Mitwirkung der Denkmalschutzbehörden eine umfangreiche Sanierung statt. Deren Ziel war "eher eine Konservierung als eine Erneuerung", die von Fachleuten ausgeführten Restaurierungsarbeiten kosteten knapp 100.000 DM. Es bleibt zu hoffen, daß durch die aufwendiger und kostspielige Sanierung dieses bauliche Denkmal wieder für lange Zeit gesichert ist und auch noch kommenden Generationen als beeindruckendes Sühnemal für einen Mord und als Zeichen des leistungsfähigen hiesigen Zimmermanns- und Steinhauerhandwerks erhalten bleibt.
(1999 Copyright by Heinrich Weisel, Zeil.)

Aus: Flurdenkmäler im Landkreis Haßberge (1968)

Werner F. Hoppe

Kreuzigungsgruppe (Golgatha-Kapelle) an der südlichen Friedhofsmauer

Vollplastik Christus am Kreuz mit Assistenzfiguren, zwischen den Schächern. Sechs Säulen, davon jeweils die beiden äußeren mit Akanthuskapitellen, halten auf die gotisierende Maßwerkbrüstung aufgesetzt, das mehrfach gegliederte Gesims, dessen Mitte von einem geflügelten Engelskopf verziert ist. Darüber baldachinförmige, geschweifte Eindeckung. Die Decke innen besteht aus drei Holzkassetten mit den Gemälden des Sündenfalles, der ehernen Schlange und der Erscheinung des Herrn. In der Mitte der Brüstung Podest vor Muschelzierrelief. Am Fuße des mittleren Kreuzesstammes : "GOTT DEM ALLMAECHTIGEN ZV LOB. CHRISTO IESV HEYLIGSTEN LEIDEN VND STERBEN ZV EHRN HAD ZV MEHRER ANREITZVNG CHRISTLICHER ANDACHT DER EHRN VND ACHBAR GEORGIVS PFERSMAN NOCH LEDIGS STANTS DISES WERCK HIEHER VERSCHAFFT IM IAHR 16.17 WELCHS 1623 VERFERTIGT VND A VFFGERICHT WORDEN. GOTT VERLEIHE IHM ZEIDLICH VND EWIGE WOLFAHRT." Darüber Wappen des Stifters: Pferd mit Mannesrumpf = Pfersmann. - An den Schmalseiten befinden sich unter dem Sims kleine Schriftplatten. Nordwestlich: "HECRN BAVVERWESER AE IACOB PHRESMAN (soll Pfersmann heißen!) . CASPAR SCHELL . HANS PHRESMAN." Darunter in asymmetrischen Barock-Kartuschen 2 Wappen, jeweils einen Reiter (Pfersmann) darstellend. Die einst gemalte Schrift des südöstlichen Feldes ist nicht mehr zu lesen. Darunter 2 Wappen: 2 gekreuzte Dreschflegel umgeben von 4 Kugeln mit Monogramm "B. B." (links), 2 gekreuzte Brotlaibe mit Monogramm "A. Z." (rechts). Diese Vermerke sind wohl bei einer Ende des 17. Jahrhunderts stattgefundenen Restaurierung des Werkes hinzugefügt worden. Die Zeiler Kreuzigungsgruppe ist eine einmalige Renaissance-Arbeit im fränkischen Raum, erwähnt in Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Band I, S. 415.(Quelle: Hoppe, Flurdenkmäler, S. 130)

Annette Faber: Gutachten im Rahmen des Denkmalschutzgesetzes

Auf Wunsch der Stadt Zeil fand am 14.4.1988 ein Ortstermin an der sog. Golgatha-Kapelle am alten Zeiler Friedhof statt. Die Kapelle ist als Denkmal nach Art. 1 Abs. 2 DSchG mit folgendem Text in die Denkmalliste eingetragen: "Friedhofstr. 13. ...Golgatha-Kapelle mit Kreuzigungsgruppe, 1617/23 ....". Die Kapelle ist dringend sanierungsbedürftig. Neben einer Würdigung in den Kunstdenkmälern von Bayern, Band IV, Bezirksamt Haßfurt, S. 191, ist der kunst- und kulturhistorisch bemerkenswerten frühbarocken Golgatha-Kapelle auch ein ausführlicher Artikel im Jahrbuch des Historischen Vereins Bamberg gewidmet (vgl. Mauer Hermann, Die Golgatha-Kapelle zu Zeil am Main, ein Bauwerk der Sühne, 107. Bericht des Hist. Vereins Bamberg, 1971, S. 5 - 16). Die Golgatha-Kapelle stellt an sich eine besonders aufwendige Verdachung einer frühbarocken Kreuzigungsgruppe aus Sandstein, deren Bildhauer unbekannt ist, dar. Vier Säulen mit reich gearbeiteten, korinthischen Kapitellen tragen über breit profiliertem Steingesims das flache, schiefergedeckte Dach der Kapelle. Während die Rückwand quasi in die Friedhofsmauer integriert und verputzt ist, bleibt die Halle an den anderen Seiten offen und erfährt lediglich nach vorne eine weitere Unterstützung durch zwei schmalere Säulen, deren untergeordnete Bedeutung sich in den einfachen dorischen Kapitellen äußert. Alle Säulen ruhen auf einer Balustrade, in der sich nachgotische Maßwerkmotive, vergleichbar mit der Kunst Bonalinos, und frühbarocke Beschlagwerkornamentik mischen. In der Mittelachse befindet sic-h eine kleine Muschelnische mit aus der Flucht hervorragendem Opferstock? Der plastische Schmuck der Kapelle besteht aus den überlebensgroßen Figuren von Christus und den beiden Schächern am Kreuz, sowie den trauernden Assistenzfiguren Maria und Johannes. In den Zwickeln zwischen Ecksäulen und Gesims steinerne Engelsfiguren mit den Arma Christi, am Gesims selbst mittig ein geflügelter Engelskopf. Auch die rückwärtigen Säulen sind mit geflügelten Engelskopfmotiven verziert. Über die Bauinschriften und ihre Bedeutung vgl. H. Mauer, S. 6 f.

Neben diesem reichen Schmuck aus Zeiler Sandstein weist die Kapelle eine weitere Besonderheit auf: in ihre hölzerne Dachkonstruktion ist eine Kassettendecke mit drei hölzernen Tafelbildern eingelassen, die den Sündenfall, die Anbetung der Heiligen Drei Könige und Moses und die eherne Schlange darstellen. Die Gemälde werden von volkstümlichen Sprüchen erläutert, die in Bezug auf den Betrachter vor der Brüstung auf die Rahmen geschrieben sind. Der Begleittext zu dem Anbetungsbild weist allerdings auf eine weitere alttestamentarische Stelle - die Opferung Isaaks - hin. Auch hierfür konnten Künstler noch nicht benannt werden.

Wie H. Mauer in seinem Artikel ausführlich darlegt, handelt es sich bei dieser Kapelle um ein Sühnedenkmal, das ein Zeiler Bürger namens Jörg Pfersman 1617-1623 von Verwandten außerhalb des Friedhofs errichten ließ, nachdem er 1616 wegen Totschlags die Stadt fluchtartig verlassen hatte.

In Zeil war man sich der Bedeutung der Kapelle schon immer bewußt. Nicht zuletzt daher stammen die in den Akten des Landesamtes für Denkmalpflege nachweisbaren Vorschläge, sie im 2. Weltkrieg mit einem Sölitterschutz zu versehen und die drei Gemälde einzeln zu bergen. Ob und wann Restaurierungen an der Kapelle vorgenommen wurden, läßt sich archivalisch nicht belegen, der auffallend gute Zustand einiger - geschützter - Hausteinteile sowie die Übermalung eines der Bilder sprechen dafür. Gegenwärtig befindet sich die Kapelle jedoch in einem dringend renovierungsbedürftigen Zustand, verschiedene Schadensbilder sind zu überprüfen und dem Wert des Objektes angemessen jeweils von erfahrenen Restauratoren zu beheben.

Zur Koordination der umfangreichen Maßnahmen empfiehlt das Landesamt für Denkmalpflege dringend die Hinzuziehung eines Architekten. Im einzelnen sind folgende Schäden zu erfassen:

  1. Die breiten Baufugen im Architrav deuten möglicherweise auf statische Schäden hin. Hier könnte mittels sog. Gipsspione bereits vor Beginn der einzelnen Restaurierungen Klarheit über Stillstand oder Fortgang der Bewegungen gewonnen werden.
  2. Eindringende Feuchtigkeit von oben ist wahrscheinlich die Ursache für Schäden an den korinthischen Kapitellen und im Architravbereich. Es müßte sowohl die Dachfläche übergangen, als auch vorsichtig eine Dachrinne mit Wasserspeiern nach hinten angebracht werden. Zur Architektur der Kapelle gehören auch die beiden Sandsteinstufen, die jetzt z. T. von dem modernen Straßenbelag verdeckt sind. Sie sind unter Beibehaltung ihrer historischen Verformungen neu zu versetzen und zwar mit einem leichten Gefälle nach außen, um auch hier anstehendes Regenwasser zur Straße hin abzuleiten. Die Stadt Zeil wird gebeten, bereits ab diesem Winter die Salzstreuung im Bereich der Kapelle auszusetzen, bzw. die Kapelle in Brüstungshöhe mit einem Schutz gegen Schnee und Salzstreuung zu versehen.
  3. Die mangelnde Ableitung des Regenwassers, sowie aufsteigende Feuchtigkeit und das durch starken Buschbewuchs ungünstige Kleinklima sind für die starken Schäden im unteren Bereich der Brüstung zuständig. Hier sanden die Maßwerkornamente stark ab, auch die Ornamente der Eckpfeiler sind in ihrer Ablesbarkeit durch Absandungen bereits stark beeinträchtigt. Hier sind folgende Maßnahmen unbedingt nötig: - fotografische Schadensdokumentation - Einzeichnen der verschiedenen Schadensbilder auf Folien - Erstellen eines Farbbefundes ' ' - Durchführung von Eindringproben von Kieselsäureester im Bereich der ganzen Brüstung - evtl. Bestimmung von Salzen im Bereich der Brüstungsschäden - Schließen der Risse mit Steinersatzmasse bzw. Epoxidharz - Abdecken der Brüstung mit Bleiblech oder Kupfer - Einbringen einer trennenden Isolierschicht gegen aufsteigende Feuchtigkeit - Erst nach Erstellung der Schadenskartierung kann die Anfertigung von Neuteilen und Ergänzung mit Steinersatzmasse überlegt werden, um die in unterschiedlichem Zustand befindliche Anlage nicht noch weiter auseinander zu restaurieren.
  4. Durch die Verdachung sind die Skulpturen selbst in einem relativ guten Zustand. Hier sind lediglich an den Sockeln der Assistenzfiguren Ergänzungen zu machen. Die Figuren tragen noch Reste einer farbigen Bemalung, über die eine Befunduntersuchung anzufertigen ist.
  5. Es ist davon auszugehen, daß die verputzte Rückwand der Kapelle ursprünglich eine freskale Bemalung mit der Darstellung Jerusalems trug. Sie ist zumindest in einem Befundschnitt nachzuweisen.
  6. Wegen der anfallenden Befundarbeiten empfiehlt das Landesamt für Denkmalpflege, mit den Arbeiten an den Hausteinteilen nur besonders erfahrene und ausgebildete Steinrestauratoren zu betrauen, deren Kostenangebot sowohl die Kartierung der Schäden, als auch die Durchführung der Befunduntersuchung neben den restauratorischen Leistungen beinhalten sollte. über die Steinrestaurierungsarbeiten im einzelnen kann erst nach Vorlage der Schadenskartierung zusammen mit dem Landesamt für Denkmalpflege bei einem weiteren Ortstermin entschieden werden. Ggf. soll auch das Referat Steinkonservierung beratend hinzugezogen werden. Für die Durchführung der Maßnahme können aus der Sicht des Landesamtes für Denkmalpflege folgende Firmen empfohlen werden: ...
  7. Für die notwendigen Konservierungsmaßnahmen an den Gemälden (Niederlegen aufspringender Farbschollen, Retuschieren größerer Farbschollen, Oberflächenschutz, Vor- und Nachzustandsdokumentation, sowie kurzer Restaurierungsbericht) sollten Kostenangebote von folgenden Firmen eingeholt werden: ...
  8. Das Landratsamt Haßberge wird gebeten, den Erlaubnisantrag vom 30.3.1988 bis zur Ernennung eines Architekten und der Einholung entsprechender Kostenangebote auszusetzen.

Die Stadt Zeil und der Kreisheimatpfleger erhalten Abdruck dieses Schreibens.

i.A. gez. Dr. Annette Faber Wiss. Ang.


(1988 Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, Außenstelle Bamberg - Schloss Seehof)

Texte von Ludwig Leisentritt zum historischen Hintergrund unter "...Gschichtli und Geschichte":

Denkmal der Sühne für einen Mord

Das kollektive Gedächtnis der Zeiler hat die merkwürdigen Umstände der Tat und die Errichtung der Golgatha-Kapelle lange Zeit vergessen. Erst seit den 60er Jahren ist mit Hilfe einiger Archivfunde Licht in die Entstehung gebracht worden.

Vor 400 Jahren ließ Georgius Pfersmann die Golgatha-Kapelle unterhalb des Zeiler Kreuzfriedhofs errichten. Dieses Kunstwerk ist eine bemerkenswerte Renaissance-Arbeit. Sie wird sogar im Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler als besonders schönes Beispiel einer offenen Kreuzkapelle erwähnt. Dass diese ein Denkmal der Sühne für einen begangenen Totschlag ist, wurde erst in jüngster Zeit durch Archivfunde belegt.
Eine Inschrift auf der steinernen Tafel gibt Aufschluss über den Stifter: „Gott dem Allmächtigen zu Lob, Christo Jesu heyligsten Leiden und Sterben zu ehrn hat mehrer Anreitzung christlicher Andacht der ehrn und achtbar Georgius Pfersmann, noch ledigs Stands, dieses Werck hieher verschafft im Jahr 1617 welches 1623 verfertigt und aufgericht worden. Gott verleihe ihm zeidlich und ewige Wolfahrt.“
Zu den Füßen von Christus trauern die Muttergottes und sein Lieblingsjünger Johannes. Zu beiden Seiten hängen die Schächer. An der Decke zeigen drei Holzkassetten Szenen aus der biblischen Geschichte: Die Darstellung des Sündenfalls, die eherne Schlange des Moses und die Anbetung der Heiligen Drei Könige. Ein kleines unscheinbares Wappen, das je zur Hälfte ein Pferd und einen Mann darstellt, wird von den Initialen JP (Jörg Pfersmann) ergänzt.

Gebete für unglücklichen Toten

Sühnestätten pflegte man bewusst, wenn schon nicht am Tatort, so doch an vielbegangenen Wegen zu errichten. Bis etwa 1845 führte die Hauptstraße stadtein- und auswärts am alten Friedhof vorbei. Durchreisende sollten an derartigen Stätten des unglücklichen Toten gedenken und ein Gebet für dessen Seelenheil verrichten. Stattdessen erbat die Inschrift von Gott „zeitliche und ewige Wohlfahrt“ für den Stifter.
Vorbeireisende konnten in den noch vorhandenen Opferstock eine Münze werfen und auf eine gute Weiterreise hoffen. Die relativ umfangreiche Inschrift verschweigt seltsamerweise das Verbrechen an dem Schulmeister Ditz und nur die Einheimischen kannten einige Generationen lang den genauen Tathergang. So hat das kollektive Gedächtnis die Einzelheiten der Bluttat immer mehr vergessen. Ihre Nachfahren sprachen dann bis in unsere jüngste Zeit fälschlich von einem Brudermord.
Bis ins Hochmittelalter bestand bei der Tötung eines Menschen kein Strafanspruch des Staates gegenüber dem Täter. Der galt nur der Familie des Getöteten gegenüber: Die konnte auf einen Schadensersatz bestehen. Hatte man sich darauf geeinigt, war eine Blutrache durch die Sippe nicht mehr erlaubt.
Als ein Zeichen der Einigung zwischen den Familien ließ der Täter oft ein Sühnekreuz errichten. Im Laufe der Jahrhunderte wurden diese einst schmucklosen Gedenksteine immer aufwendiger gestaltet.
Für seine Tat hätte die Obrigkeit den Spross der einflussreichen Zeiler Familie zu Tode befördern können, denn zum Tatzeitpunkt gab es für den Totschlag bereits den Strafanspruch des Staates. Ganz ungeschoren kam daher der Übeltäter nicht davon. Er wurde nämlich des Landes verwiesen.
Im Hochstift Bamberg gab es einige Jahre später noch einen ähnlichen Fall, der sich ebenfalls in Zeil abspielte. Das geht aus einem Hinweis auf die in den Kriegswirren verschollenen Hochgerichtsakten hervor. Danach hat der Zeiler Georg Grober um 1630 einen nicht namentlich genannten Mann getötet. Die Angehörigen wollten den Täter nicht an den Henker liefern, jedoch wurde er durch die Obrigkeit zwangsweise der kaiserlichen Armee übergeben. Ob und wie er während des Dreißigjährigen Krieges den mehrjährigen Militärdienst überlebt hat, lässt sich nur denken.

Einträge in Tagebuch und Staatsarchiv

In den Unterlagen des Zeiler Stadtarchivs finden sich nur spärliche Hinweise auf die Bluttat durch Georgius Pfersmann. Auch über die Errichtung der Kreuzigungsgruppe gibt es keine Hinweise auf den Bildhauer. Bürgermeister Hans Langhans hat in seinem berühmten Tagebuch etwas über die Umstände der Tat niedergeschrieben. Er war wohl Altersgenosse des Georgius Pfersmann gewesen und gehörte 1616 zu der Laienspielgruppe, die im Ratssaal unter Leitung des Schullehrers Ditz das Historienschauspiel Judith aufführte. Nach dem Ende der Aufführung am zweiten Weihnachtsfeiertag kam es zu einem verhängnisvollen Streit.
Erst in den 60er Jahren fand man zufällig im Staatsarchiv Bamberg einen Eintrag, der noch einige weitere Details dieser bislang mysteriösen Tat ans Licht bringen sollte. Danach waren nach Ende des Spiels sämtliche aktiv Beteiligte von Bürgermeister und Rat zu einem Ehrentrunk auf die Ratsstube gebeten worden. Ohne eingeladen zu sein, stieß auch Georgius Pfersmann zu den Versammelten. Er überhäufte den Schulmeister mit Vorwürfen, weshalb er ihn nicht auch in die Spielschar aufgenommen hat.
Dass die Spielgruppe bereits vor ihrem Auftritt in Zeil in Haßfurt und Eltmann das Historienstück „Der Untergang von Troja“ mit viel Beifall aufgeführt hatte, mag den Neid noch befördert haben. Langhans schrieb stolz in sein Tagebuch, der Auftritt sei ein Lob für die ganze Zeiler Bürgerschaft.
Valentin Ditz wollte, um in Frieden gelassen zu werden, nach Hause gehen, doch der zornige Pfersmann folgte ihm. Außerhalb des Rathaussaales kam es zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf er ein Messer aus der Scheide zog und den Schulmeister „ganz jemmerlicher unschuldiger weiß erstochen“ hat. Pfersmann konnte sich offenbar zunächst in Sicherheit bringen, denn das Bamberger Malefiz-Amt ließ nach ihm suchen und sogar Vermögenswerte beschlagnahmen.

Bürger taten sich mit Vergebung schwer

Die Bluttat von Pfersmann wirkte noch lange nach. Manche Bürger taten sich offenbar schwer, dem Mörder zu vergeben, den die Inschrift auch noch als „achtbar“ bezeichnet. Der Volksmund nannte die Sühnekapelle geringschätzig „Schächer-Kapelle“. Das empfand die Pfersmann-Familie als eine Schmähung. Sie verlangte vom Bürgermeister und Stadtrat öffentlich einzuschreiten. So erging dann die Weisung, das „Kruzifixbild nicht mehr zu den Schächern zu nennen“. Vermutlich wussten die Schandmäuler nicht, dass Lukas die zusammen mit Jesus Gekreuzigten als Verbrecher bezeichnet hat. Als Teil einer Kreuzigungsgruppe werden sie jedoch in der christlichen Kunst oft Schächer genannt. 1748 spottete man in Zeil wieder über eine Kapelle. Diesmal handelte es sich um die kleine Maria-Hilf-Kapelle, die 1894 dem Bau des heutigen Käppele weichen musste. „Es ist ja nur ein Büttels-Cäpelein“ höhnten einige Leute. Gestiftet hatte es nämlich der Zeiler Steuerschätzer Wernhammer. Und der war wohl auch nicht von jedem gelitten.

(Quelle: Ludwig Leisentritt, veröffentlicht im Fränkischen Tag am 02.08.2023)

Die Wahrheit über den Zentauren im Wappen

Die alten Zeiler erzählten sich, der ausgewiesene Pfersmann hätte sich in Böhmen niedergelassen. Nach der Erinnerung des Lehrers Josef Gassner weilte in den 30er Jahren eine Frau Roßmann aus dem österreichischen Kärnten in Zeil. Sie erzählte damals, nach der Familienüberlieferung sei ihr Vorfahre namens Roßmann kurz vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges aus dem ehemals bambergischen Städtchen Zeil geflohen.
Den richtigen Namen erfuhr die Familienforscherin erst bei der Besichtigung der Kreuzigungsgruppe und bei Gesprächen mit Zeiler Bürgern. Die erzählten ihr allerdings noch fälschlich die Sage, dass Pfersmann seinen Bruder im Streit erschlagen habe. Ganz so, was heute noch über den Linsenstein oberhalb der Brühlsteige erzählt wird: Wegen eines Linsengerichts soll ein Schafhirt im Streit seinen Bruder umgebracht haben.
Die Frau aus Österreich berichtete den Zeilern noch, Roßmann habe in seinem bürgerlichen Wappen einen Roßmenschen, auch Zentaur genannt, geführt. Das Wappen über der Inschrift der Kreuzigungsgruppe und was sie bei ihrem Besuch erfahren hat, genügte der Frau als Beweis, dass ihr Vorfahre tatsächlich aus Zeil gekommen ist.
In den 70er Jahren kam noch ein anderer Spross der Pfersmann-Familie nach Zeil. Vor dem Rathaus entdeckte der damalige Bürgermeister Rudolf Winkler ein Ehepaar. Es schaute sich gerade den Pranger an. Nach einem Gespräch erfuhr das Stadtoberhaupt, dass es sich um das Ehepaar Ludwig Pfersmann-Eichtal aus Wien handelte.
Der damalige Besucher sah sich ebenfalls als Nachfahre des Georgius Pfersmann, der 1623 das Sühnemal am Kreuzfriedhof errichten ließ. Noch etwas verbindet diese Pfersmann-Familie mit Zeil: Ludwig Pfersmann war in der Zeiler Patenstadt Römerstadt geboren und hatte dort sein ansehnliches Vermögen an die Tschechen verloren.

Den echten Namen lieber verschwiegen

Unter dem Dach der Kreuzigungsgruppe verbirgt sich ein kaum wahrnehmbarer Text, welcher darauf hinweist, dass es der Ratsherr Caspar Schell und die zwei Familienmitglieder Jakob und Hans Pfersmann waren, welche das stattliche Sühnedenkmal auf Geheiß des verstoßenen Verwandten errichten ließen. Die Inschrift enthält das Wappen der beiden, das einen Reiter auf einem gezäumten Pferd zeigt. Das unterscheidet sich jedoch von dem Wappen des Stifters, welches unterhalb des gekreuzigten Jesus zu sehen ist.
Hermann Mauer vermutete, dass es wohl gewichtige Gründe gewesen seien, dass die Zeiler Verwandten dem in Ungnade gefallenen Georgius ihr Familienwappen vorenthalten haben. Stattdessen musste der unbekannte Steinmetz einen Zentauren – halb Mensch, halb Pferd – einmeißeln. Möglicherweise wollte sich die angesehene Familie in Zeil dadurch von ihm absetzen.
Dieser Aspekt erklärt vielleicht auch, warum sich die Frau in den 30er Jahren als Rossmann ausgewiesen hat. Anders als der zu Adelswürden gekommene Ludwig Pfersmann, Freiherr Ritter von Eichthal. Seine Vorfahren haben oder brauchten ihre Abstammung wohl nicht zu verleugnen.

(Quelle: Ludwig Leisentritt, veröffentlicht im Fränkischen Tag am 02.08.2023)

Aus dem "Spaziergang durch Zeil":

Golgatha-Kapelle

Dieses Kunstwerk heimischer Steinmetzen ist eine einmalige Renaissance-Arbeit im fränkischen Raum und wird sogar im Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler als besonders schönes Beispiel einer offenen Kreuzkapelle erwähnt. Zu den Füßen des am Kreuz hängenden leidenden Christus trauern die Muttergottes und sein Lieblingsjünger Johannes. Zu beiden Seiten hängen die biblischen Schächer, während an der Decke in drei Holzkassetten Szenen aus der biblischen Geschichte zu erkennen sind: Die Darstellung des Sündenfalls, die eherne Schlange des Moses und die Anbetung der Heiligen Drei Könige. Eine Inschrift auf der steinernen Tafel gibt Aufschluß über den Stifter: "Gott dem Allmächtigen zu Lob, Christo Jesu heyligster Andacht des ehr und achtbar Georgius Pfersmann, noch ledigen Stands, dieses Werck hieher verschafft im Jahre 1617 welches 1623 verfertigt und aufgericht worden. Gott verleihe ihm zeidlich und ewig Wolfahrt."
Das kleine unscheinbare Wappen, das je zur Hälfte ein Pferd und einen Mann darstellt, wird von den Initialen JP (Jörg Pfersmann) ergänzt. Alte Leute wußten noch Sagen über den Entstehungsgrund dieses Denkmals zu erzählen. Der Stadtchronist Mauer hat nachgewiesen, daß es sich um ein "Bauwerk der Sühne" für einen begangenen Totschlag durch den Bürgersohn Pfersmann handelt. Dieser hatte 1616 einen Zeiler Schulmeister, der ein Theaterstück einstudierte "ganz jemmerlich unschuldiger weiß erstochen", aus Ärger darüber, weil ihm dieser keine Rolle in dem Historienspiel "Judith" hatte geben wollen. Für diese Tat hätte die Obrigkeit den Sproß einer einflußreichen Zeiler Familie zu Tode befördern können. Statt dessen gewährte man dem Missetäter eine Gunst des Mittelalters. Durch eine private Übereinkunft der vom Totschlag betroffenen Familie sowie durch eine Geldbuße bzw. die Errichtung eines Sühnedenkmals konnte der Täter sein normalerweise verwirktes Leben retten. Derartige Denkmäler pflegte man bewußt, wenn schon nicht am Tatort, so doch an vielbegangenen Wegen zu errichten. Sie sollten die Vorübergehenden veranlassen, des unglücklichen Toten zu gedenken und ein Gebet für sein Seelenheil zu verrichten. An dieser Stelle führte bis ca. 1870 die Hauptstraße stadteinund stadtauswärts. Pfersmann zahlte für seine Tat dennoch einen sehr hohen Preis. Er mußte seine Heimat für immer verlassen. Es gibt Hinweise, daß seine Nachfahren heute als "Roßmann" in Kärnten leben.
Stiftungen sind konservierte Gewissensbisse zum Nutzen der nachfolgenden Generationen. Unsere Kultur wäre sicher ärmer an Steinkreuzen und Marterln, hätte es früher diese Art von Sühne nicht gegeben.

(Quelle: Ein Spaziergang durch Zeil, S. 59-60)