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Lange Gasse 9
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Die "Kulmbacher" (wohl 1950er Jahre)
Das Eckhaus entstand ursprünglich im 17. Jahrhundert und wurde mehrfach umgebaut. Besonders das Erdgeschoss ist durchgreifend verändert worden. Die Bauweise mit Nebengebäuden (Untere Heppengasse) zeugt davon, dass hier einst Ackerbürger wohnten. Das Haus weist, wie so oft bei den Zeiler Fachwerkhäusern, ein massives, verputztes Erdgeschoss auf, darüber befinden sich zwei Fachwerkgeschosse (hier eher schlicht). Es steht mit der Giebelseite zur Langen Gasse, das Dach ist in Halbwalmbauweise ausgeführt.
Zum zweiten Bild (wohl aus den 50er Jahren) schreibt Ludwig Leisentritt: Doch aussagekräftig ist das Gewände der Eingangstüre. Hier sind zwei eingemeißelte Hörnchen zu erkennen. Sie weisen wohl darauf hin, dass es hier einmal eine Bäckerei gegeben hat.
Wie Leisentritt weiter anmerkt, stammt das heute sichtbare Fachwerk an der Giebelfront aus den 1960er Jahren und ersetzte das marode Originalfachwerk. Im Ratsprotokoll von 1963 heißt es: "Der Fachwerkgiebel der Kulmbacher Bierstube in der Langgasse musste vollständig erneuert werden. Die Stadt Zeil bot aus dem Holzbestand des zu dieser Zeit renovierten Rathauses kostenlos Balken an."
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts diente dieses Haus als Bäckerei. Auch die Gaststätten "Drei Kronen, "Zur guten Quelle" und "Stadt Zeil" entstanden aus Bäckereien. Ein Bäckerzeichen in Form eines Hörnchens war noch vor einigen Jahren auf dem Türstein des Einganges zu sehen. (siehe Chronik von Zeil). Die Bezeichnung "Kulmbacher Bierstube" ist erst neueren Datums.
1805 wird Peter Heim als Inhaber der Bäckerei genannt.
1822 Johann Lutz.
1841 kauft Michael Beck das Haus. Er erwarb es von Joseph Lesch, der am Marktplatz das "Weiße Lamm" besaß (heute Haus Huttner) das
Realschankrecht für 300 fl und 4 Kronenthaler; im selben Jahr das Backrecht(?)
1867 erwirbt Franz Bay das Anwesen und verehelicht sich mit der Witwe seines Vorgängers.
1880 kauft Bay auch das gegenüberliegende Haus No. 96. Bislang wurde das Bier von anderen Brauereien bezogen, was besonders Bay lästig war. Anstelle des erworbenen alten Hauses baute er ein Brauhaus mit einem geräumigen Bierkeller, den er 1883 in Betrieb nahm.
Hin und wieder benütze er an Sonn- und Feiertagen dieses Brauhaus zum Ausschank von Bier. An einem Pfingstsonntag ließ er sogar "Harmonie-Musik" spielen. Dies brachte ihm eine Anzeige ein und das Verbot, die Bewirtschaftung des Brauhauses weiter zu betreiben.
1911 erwirbt der aus Buch stammende Peter Bühling das Gasthaus und die Brauerei. Auch er heiratete die Witwe seines Vorbesitzers, Anna Maria Bay. Aus einem Gutachten geht hervor, daß die Wirtschaft nur eine geringe Frequenz hat und in der Hauptsache von der Arbeiterbevölkerung besucht wird. In der Gaststätte liegt der sozialdemokratische "Fränkische Volksfreund" auf. Von Bühling wird erzählt, daß er, wenn er abends genug hatte vom Bierausschenken, zu seinen Gästen zu sagen pflegte: "Geht heim, ich trink mein Bier allein. Was noch da ist brauch ich für mich."
1954: Der Rundfunktenor Herbert Ernst Grohe besucht häufig Zeil und kehrt öfter in der "Kulmbacher Bierstube" ein.
1959 am 1. Juni steht in der "Kulmbacher" Arthur Tully hinter der Theke.
1961 eröffnet die Familie Paul Warnke das Lokal neu.
1962: Der neue Pächter initiiert einen "Sparverein" unter seinen Gästen. Nachdem die Sparkasse nicht bereit war, einen entsprechenden Schrank zu stiften, stellte die Raiffeisen einen Behälter für 40 Personen auf. Jeder Sparer mußte in der Woche mindestens eine Mark einwerfen. Wer dieser Pflicht nicht nachkam, mußte ein Strafgeld in Höhe von 10 Pfennigen entrichten. Da das Interesse immer mehr zunahm, mußte ein weiterer Sparschrank aufgestellt werden. Da sich die Bediensteten der Raiffeisenbank nicht mehr in der Lage sahen, für eine regelmäßige Leerung der Sparfächer zu sorgen, übernahm dies der Nachbar und Versicherungsvertreter Erwin Rausch, der nun jeden Dienstag die Ersparnisse abholte und bei der Bank einzahlte. Nach Abschluß des Sparjahres erhielt jedes Mitglied neben seinem eingesparten Geld, das vor dem Weihnachtsfest sehr willkommen war, einen Gutschein im Werte von 5 Mark. Er wurde aus den angefallenen Zinsen finanziert. Die sparsamen Zecher, konnten hierfür ein halbes Hähnchen mit Salat, ein Bier und zwei Kognak konsumieren. 1962 hatten die 80 Sparvereinsmitglieder über 11.000 Mark gespart.